Dimensionen eines lernenden Unternehmens; Etappen der Organisationsentwicklung/Aufgaben der betrieblichen Berufsbildung; Risiken im Veränderungsprozess
Die Option des lernenden Unternehmens wird seit den 70er Jahren diskutiert.
Strategische Bedeutung von Lernen für die Sicherung und den Ausbau
von Effizienz und Wettbewerbsfähigkeit im Übergang von der
Industrie- zur Wissensgesellschaft.
Konzepte für organisationales Lernen (synonym: Organisationslernen)
von March/Olsen:
Relation zwischen dem Unternehmen und der Umwelt ausschlaggebend. Besondere
Stellung des Erfahrungslernens, weil hierüber Veränderungen erfasst
und organisational weiterentwickelt werden.
Argyris/Schön:
single-loop-, double-loop- und deutero-learning (d.h. Prozesslernen)
Senge (1996: "Die fünfte Disziplin"): Systemdenken;
sowie
individuelle Meisterschaft, mentale Modelle, gemeinsame Visionen und Teamlernen.
Die Betonung auf Lernen unterscheidet diese Ansätze von "lean production", TQM etc.
Offene Fragen:
Fazit: Moderne Arbeitsprozesse, Konzept des das lernenden Unternehmens, erfordern Innovationsfähigkeit, die mit überkommenem Denken in starren Berufskategorien und eng abgegrenzten Tätigkeitsfeldern nicht vereinbar sind. Wichtig sind daher: Qualifikation, reflexive Handlungskompetenz und Persönlichkeitsentwicklung. Basis: hoher Qualifikations- und Berufsbildungsstandard in Deutschland:
ökonomisch: | Globalisierung, Innovationsfähigkeit, Qualitätssicherung |
arbeitsorg.-qualif.: | Ablösung tayloristischer Arbeitsstrukturen, Systemdenken, Entscheidungsspielräume |
unternehmenskulturell: | Identität, Mitgestaltung; Lernen wird zum zentralen Wert |
lernorganisatorisch: | Verstetigung des Lernens im Prozess der Arbeit / dezentrale Lernorte: Lerninseln, Qualitätszirkel. Außerbetriebliche Kombinationen, z.B. mit öffentlichen Bildungseinrichtungen |
lerntheoretisch: | Ineinandergreifen von instruktiven Lernprozessen (mit vorgegebener Arbeit) und konstruktiven Lernprozessen, die sich auf Gestaltungsfreiräume beziehen. |
didaktisch-methodisch: | herkömmliche Lernformen plus neue Optionen: dezentrales Lernen, Gruppenlernen und Organisationslernen |
Die lernorganisatorische Dimension: Lernorte werden innerbetrieblich vernetzt und zu Personalentwicklungswegen ausgebaut. Merkmale der Arbeitsplätze im lernenden Unternehmen: Dezentralisierung, Verbinden von Arbeiten und Lernen, Selbstorganisation, Eigenverantwortung der Mitarbeiter. Die Integration von Arbeiten und Lernen ist in technologisch anspruchsvollen Arbeitsprozessen notwendig und möglich, wie eine entsprechende Modellversuchsreihe des BiBB gezeigt hat.
Infrastruktur dezentraler Lernorte |
Arbeiten |
Lernen |
Arbeitsmittel, Maschinen | Lernmöglichkeiten (zeitlich und sachlich) |
Arbeitsstruktur, -Ablauforganisation | lernhaltige, gestaltungsorientierte Aufgaben |
Arbeitsaufgaben | ausgewiesene Lernziele bzw. -Inhalte |
Qualifizierungsanforderungen | kooperative Arbeits-Lerngruppen |
|
Entscheidend: Lernen im realen Arbeitsprozess.
Keine gesonderten Aus- und Weiterbildungssituationen, sondern Einbeziehung
in moderne Arbeitsplatzgestaltung im Rahmen von Arbeitserweiterungen und
-bereicherungen. Arbeitsplätze müssen als Lernorte erschlossen
werden: Dazu sind Arbeitsplatz- und Qualifikationsanalysen erfoderlich,
um Lern- und Bildungschancen einzuschätzen.
Differenzierung der Orte für Lernen:
Zwar sind weiterhin herkömmliche Lernformen sinnvoll, wie z.B. die Leittextmethode# und Projektmethode, hinzu kommen jedoch nun die erfahrungsgeleiteten Lernprozesse am Arbeitsplatz. Berufsbildung hatte sich immer weiter vom realen Arbeitsgeschehen entfernt, weil die taylorisieten Arbeitsstrukturen kaum lernförderlich waren und das betriebliche Lernen der Personal- und Organisationsentwicklung überlassen wurde (1). Die Hinwendung von hierarchisch angelegten Orientierungsmustern zu partizipativen Hanldungsorientierungen entspricht der Differenzierung von Bildungswegen und Lernmustern. Lernen erhält gegenüber Lehren ein größeres Gewicht. Der Lernende wird als aktives und selbstreflexives Subjekt in den Mittelpunkt gestellt. Grundsätze: Authentizität, Exemplarik, Situiertheit und soziale Gebundenheit.
instruktionistisch | konstruktivistisch |
Lernen: rezeptiv, linear, systematisch | Lernen: aktiv-konstruktiv, selbstgesteuert, situativ, mit nicht vorhersehbaren Ergebnissen |
Lehrende leiten an, machen vor, erklären. Lernende machen nach, nehmen auf | Lernende: aktive, weitgehend selbstbestimmte Rolle. Lehrende: Berater und Mitgestalter von Lernprozessen (s. Lernumgebungen) |
Lerninhalte werden als geschlossene Wissenssysteme bzw. Teile davon verstanden | Lerninhalte / Wissen nicht abgeschlossen, sondern abhängig von individuellen und sozialen Zusammenhängen. |
Merkwürdigerweise betont Dehnbostel gerade zur Einführung
neuer Techniken herkömmliche, rezeptive Lernmethode. Andere Erfahrungen
belegen jedoch, dass auch hierbei ein selbstgesteurtes Vorgehen verbreitet
ist (horizontale
Implementierung von Informationstechnologie in der Sozialarbeit).
Einheit von Fach, Sozial- und Humankompetenz (n. H. Roth die Sach-, die Sozial- und die Selbstkompetenz), bezieht sich auf die Vollständigkeit von Arbeitshandlungen und deren Reflexion:
Damit ist klar die Vorrangigkeit instrumentelle Handelns betont, inhaltlich kompetent ausgeführt. Allerdings soll dieses reflektiert werden, und Innovationsfähigkeit, theoretisches Wissen, Erfahrungswissen und Visionen miteinander verbinden. Die sog. reflexive Handlungsfähigkeit kommt zum Ausdruck in den kontinuierlichen Verbesserungs- und Gestaltungsprozessen der Arbeit.
Arbeitsprozesswissen
Dewey hat die Bedeutung des Erfahrungslernens begründet. Handlungen
können nicht einfach nur wiederholt werden, wichtig ist die Abfolge:
Handlung - Erfahrung - Reflexion. Dies muss selbsttätig und
selbstbestimmt geschehen. Auf dieser Basis werden Lern- und Erfahrungsprozesse
individuell erschlossen. Erfahrungslernen ist informelles Lernen,
insbesondere im Prozess der Arbeit (Dehnbostel 1998, S. 187). Informelles
Lernen macht schätzungsweise 75% des Lernens aus, ist wesentlich zur
Gestaltung von Arbeits- und Lebenssituationen. Zumeist handelt es sich
um Erfahrungslernen, d.h. dem Lernen liegen Handlungen zugrunde. Der Kreislauf
der Erfahrung wird gebildet aus:
Beispiel Sprechakt:
Vgl: Symbolischer Interaktionismus
Beteiligt sind kognitive, emotionale und soziale Anteile. Die Funktionalisierung und Zweckbestimmung betrieblichen Arbeitshandeln wird durch Neugestaltung der Arbeitsprozesse erweitert. Für Erfahrungen ist ausschlaggebend, dass Arbeitshandlungen auf den Arbeitsgegenstand einwirken, und dabei sinnliche Eindrücke entstehen und verarbeitet werden. Das aufgebaute Erfahrungswissen beruht auf subjektiven und kollektiven Erfahrungen. Es ist beispielsweise ausschlaggebend für risikobehaftete Instandsetzungsarbeiten. Es erscheint als Intuition und ist vom technisch-rational begründeten Handeln zu unterscheiden.
Ebenfalls ist Erfahrungslernen von theoretisch begründetem Wissen
zu unterscheiden. Die Nützlichkeit von Erfahrungen bestimmt, ob diese
behalten und erinnert werden. Erfahrungswissen kann implizit oder explizit
sein. Problematisch ist bei der heutigen EDV-Technik, dass die äußeren
Erfahrungen nur durch den Zustand und die Ausgabedaten des Automaten
vermittelt werden. Findet durch den Computer eine Einschränkung oder
eine Ausweitung des Erfahrungslernens statt? Die Informatisierung des betrieblichen
Erfahrungswissens führt zur Einebnung von Erfahrungswissen und kommunikativer
Kompetenz, gleichzeitig aber auch zu ihrer Erneuerung. Letzteres geschieht
insbesondere in neuen betrieblichen Lernkonzepten.
Modellversuche: Schwerpunktverlagerung von der Aus- zur Weiterbildung.
Effekte dezentraler Berufsbildungskonzepte: Erhöhung des Anteils produktiver
Qualifizierungsanteile, Reduzierung von Infrastrukturkosten, verminderte
Einarbeitungskosten am Arbeitsplatz nach der Qualifizierung.
Eigenverantwortung und Qualität in der Berufsbildung lassen sich
nur bei dezentralisierten Entscheidungsfunktionen gewährleisten. Die
Selbstorganisation nimmt zu, soziale Bindungen wachsen und berufliche Handlungskompetenz
wird in wesentlichen Teilen in realen
Arbeitsvollzügen erworben (n. Dehnbostel 1998, S. 190)
Dezentralisierung bedeutet die Verlagerung und Delegation von Aufgaben und Kompetenzen aus vorbereitenden, planenden und leitenden Organisationseinheiten in operative bzw. wertschöpfende Bereiche. Die Identifikationsmöglichkeit mit der Arbeit wird verbessert. Die verschiedenen Lernformen (herkömmliche, Erfahrungslernen und intentionales Lernen) werden integriert, wie oben dargelegt.
Das Organisationslernen hat sich als eigenständige Form herausgebildet, zu verstehen als Einheit von lernender Organisation und lernenden Mitarbeitern. Oberbegriff für Lernprozesse, die im Zusammenhang mit kontinuierlicher Entwicklung von Organisationen, für ständiges Lernen und Verbessern von Arbeitsvollzügen, Planungs- und Ablaufprozesse notwendig sind. Es geht um Aufbau, Nutzung und Weiterentwicklung einer Wissensbasis von Organisationen. Dieses Wissen dient zur Erschließung von Grundstrukturen in allen Tätigkeitsbereichen, und ist eingebunden in Daten- und Logistiksysteme. Es entstehen abteilungsspezifische und -übergreifende Datennetze. Kenntnis und Verständnis der gesamten betrieblichen Ablauf- und Aufbauorganisation wird erlangt und umgesetzt, Schlüsselqualifikationen wie Zusammenhangsverständnis und Systemdenken im Arbeitshandeln erworben.
Gruppenlernen ist das Lernen einer
Gruppe als soziales
System. Lernen die beteiligten Individuen über die Gruppe, konstituiert
sich darin das gemeinsam erworbene Wissen. Gruppenlernen erfolgt erfahrungsgeleitet
in der Gruppenarbeit, und durch systematisch
angelegte Verbindungen von Arbeiten und Lernen in dezentralen Lernorten.
Kontinuierliche Verbesserungs- und Lernprozesse finden bisher überwiegend
nur in einzelnen Schnittstellen in der Aufbau- oder Ablauforganisation
von Unternehmen statt. 1996 festgestellt: Die Kultur des Lernenden Unternehmens
in Deutschland steckt noch in den Kinderschuhen.
Der Begriff des lernenden Unternehmens bleibt auf absehbare Zeit aktuell,
wenn Lernen individuelle Lern- und Mitwirkungsmöglichkeiten für
alle Mitarbeiter eröffnet, hierarchie- und abteilungsübergreifend.
Herkömmliche und neuere lerntheoretische Modelle müssen miteinander
verbunden und umgesetzt werden, insbesondere die Integration von Erfahrungslernen
und intentionalem Lernen (n. Dehnbostel 1998).
Vision: endgültige Überwindung des Taylorismus! Aus sicht der Berufsbildung wichtig, um die Intessen des Individuums an fachlicher Souveränität und sozialer Emanzipation zu fördern. Dies sind Orientierungslinien der Berufsbildung, nicht allein die ökonomischen Parameter! Beide Aspekte ergeben ein Spannungsfeld, das in einen reflexiven Diskurs münden sollte!
Aufgabe der betrieblichen Berufsbildung: Integration der Teilsysteme. Das bedeutet für die betriebliche Berufsbildung mehr als die Aneignung von Fakten zu organisieren, nämlich "die gezielte Veränderung von Wissen in einem Prozess des reflexiven Lernens im Spannungsfeld von personalem und organisationalem Lernen auf der horizontalen und vertikalen Ebene" (Novak 1998, S. 107) |
Erfassung des Veränderungsbedarfs mit Hilfe eines Diagnose-Modells:
Kundenbezogene Aktivitäten und Umwelt der Organisation,
Fragen in Bezug auf
Welche Qualifikationen können abgeleitet werden? Wie und wo sollen diese vermittelt werden?
Vier-Stufen-Methode, Imitationslernen, Training on the job
Klassische Lernform auch: Lehrgang.
Damit geht Dehnbostel von einer Trennung von Berufsbildung und Organisationsentwicklung aus.
Quellen:
© Claus-Henning Ammann 2002, www.multimedia-pflege.de