Lernendes Unternehmen und Weiterbildung

Strategische Organisationsdidaktik; Typologisierung der Weiterbildung.


Allg.:

Definitionen:

Rascher Wandel der Anforderungen

Zwecke betrieblicher Weiterbildungspolitik

Steuerungsstrategie zur Steigerung der Wahrscheinlichkeit 'gelingender Kommunikationen', durch Ingangsetzung pädagogisch sinnvorbestimmter 'Begleitkommunikationen'. Innovationen einführen.

Umsetzung/neue Lernformen

Als Rationalisierungsstrategie zur Koppelung von Veränderungsprozessen mit betrieblichen Lernprozessen. Über pädagogische Prozesse wird die Mitarbeitersubjektivität verfügbar, daher haben diese eine hohe Attraktivität. Das Prinzip 'Lernen' ermöglicht eine 'reflexive Rationalisierung'.

Teamarbeit, Projektarbeit, virtuelle Unternehmensarchitektur  usw. benötigt zur Lösung von Selektionsproblemen folgende Lernleistungen :

Institutionalisierung als Personalentwicklung; Notwendigkeit lebenslangen Lernens --> wirtschaftliche Flexibilität.
Idee des "Lernenden Unternehmens"! Über Weiterbildung direktere Steuerungsmöglichkeiten als über das langfristig und überbetrieblich wirksame Berufskonstrukt. Systemzeit der Lehrlingsausbildung ist zu lang, wird zum Hindernis der Perfektionierung des Einsatzes von Personal und Qualifikation. Zeitgerechtes Zur-Verfügung-Stellen statt Einlagerung von Qualifikationsressourcen. Just-in-time. Kurzfristreaktionen: Anlernkosten von Fachhochschule-Absolventen geringer als Ausbildungskosten für Facharbeiter. Auch Facharbeiter benötigen vor ihrem Einsatz erst eine Aktualisierung ihrer Kenntnisse und Fertigkeiten.
Auslagerung von Bildungsabteilungen als Cost- oder Profit-Center.

Veränderungen der Form betrieblicher Weiterbildung

Rationalisierung des Pädagogischen, d.h. Verbetrieblichung. Anschluss an ökonomische Sinnbestände führt zur Veränderung von einer Art VHS-Programm zu arbeitsplatznahen, beratenden und prozessbegleitenden Formen der WB. Einarbeiten, individuelles, mediengestütztes Lernen. Lernstatt, Lerninseln und Qualitätszirkel, Beratung (Coaching): situativ angepasst an posttayloristische Arbeitsformen.
Seminarangebote: maßgeschneidert, teilnehmer-, situationsangepasst, erfahrungsbezogen / problemorientiert. Koppelung von Arbeit und Lernprozessen. Neues Stichwort: "lebendiges Lernen". Anschlussfähigkeit für viele Optionen und engere Koppelung des Subjektiven mit dem System. Weiterbildung rückt näher an den Verwendungsort heran, Transferüberlegungen spielen eine größere Rolle.

Typologisierung der Weiterbildung in den Betrieben

siehe auch: Organisationsdidaktisches Strukturgitter

1. WB als Form pragmatischer Anpassung an Veränderungen
2. WB zur gezielten betrieblichen Personalentwicklung
3. Weiterbildung als funktionaler Bestandteil des Betriebs-Systems
4. Weiterbildung als Form reflexiver und qualitativer Modernisierung im Betrieb

(n. Geißler/Orthey 3/97)


Organisationales Wissen (n. Willke)

Organisationen benötigen zwei Arten von Wissen:

Beide Arten von Wissen ergänzen sich, um den Kontingenzen und Anforderungen der Umwelt gerecht zu werden.
Organisationales Wissen steckt in den person-unabhängigen, anonymisierten Regelsystemen und der Kultur der Organisation. Am Beispiel der Kirche: Dieses Wissen überdauert Tausende von Jahren! Institutionelles Wissen, in heiligen Büchern festgehalten! Stärker als Absichten und Motive der Personen, der durchlaufenden Generationen. Mythen bilden Ansatzpunkte für ansonsten haarsträübenden Unsinn.
Handeln als Zentralbegriff, benötigt eine Wissensbasis. Denken ist dazu unerheblich! Da Organisationen als Akteure handeln können, benötigen sie auch eine Wissensbasis. Es kommt aber nur durch Personen in Gang#. Die Organisation kommt auf ihr eigenes Wissen zurück, in Schleifen. Es handelt sich um spezifische Operationen, die von Personen unabhängig sind. "Der Kern der Idee des kollektiven Wissens ist die Beobachtung, dass der Gehalt dieses Wissens nicht von den einzelnen Wissenspartikeln geprägt ist, sondern von den Relationen und Verknüpfungsmustern zwischen diesen Wissenselementen. die Verknüpfungen konstituieren das eigenständige kollektive oder systemische Wissen der Organisation." (Willke 1998, S. 246). Kontextsensitives Handeln und Entscheiden sind für Organisationen unabdingbar, auf der Grundlage offener und flexibler Wissenssysteme. Das Muster systemischen Wissens entsteht dadurch, dass sich Kommunikationen und zurechenbare Handlungen gewissermaßen schwerelos und flexibel miteinander in Beziehung bringen lassen. Kein Individuum kann alleine einen Computer, ein Auto, ein Flugzeug bauen. Eine Organisation kann das! Sie schafft das vermittels ihrer Intelligenz, d.h. den wiederkehrenden Verhaltensmustern. Es handelt sich um die Emergenz der globalen Struktur aus den einzelnen Verhaltensmustern.

Organisationales und personales Wissen

Organisationen existieren in der Regel länger als die Menschen. Beispiele: Die katholische Kirche, das englische Königshaus, die alten Universitäten, die Sozialdemokratie  usw. Diese speichern über Jahrhunderte hinweg Wissen, das sie in Regelsystemen, Datenbanken, Expertensystemen etc. präsent halten und weiterentwickeln. Keinem Menschen gelingt das. Sein mental gebundenes Wissen geht unwiederbringlich verloren. Organisationen speichern demgegenüber von vornherein ihr Wissen, ein klarer Vorteil.
Allerdings können Organisationen selbst keine Wissensbasis aufbauen. Aufgrund dieses Handikaps beziehen sie Personen ein. Dadurch können sie ihr systemspezifisches Wissen aktivieren! Aber: unabhängig von den Präferenzen der Personen, jedoch nicht unabhängig von den "Personen als 'Leseköpfe' der Daten. (Willke 1998, S. 248).

Organisationen können sogar eigenständig lernen, wenn sie Regeln über die Erzeugung von Regeln in ihre Wissensbasis aufnehmen. Dieses Lernen muss nur lose an das Lernen der Mitglieder des Systems gekoppelt werden. Nach Pawlowski (1992, S. 204):
Organisationales Lernen ist ein Prozess, "der eine Veränderung der Wissensbasis der Organisation beinhaltet, der im Wechselspiel zwischen Individuum und der Organisation abläuft, der in Interaktion mit der internen und/oder externen Umwelt stattfindet, der durch Bezugnahme auf existierende Handlungstheorien in der Organisation erfolgt und der zu einer Systemanpassung der internen bzw. an die externe Umwelt und/ odr zu erhöhter Problemlösefähigkeit des Systems beiträgt". 

Lernebenen:
 

Auf der zweiten Stufe beginnt die eigenständige, aktive Fortentwicklung des vorhandenen Wissens.
Wie kann eine Organisation nun aktiv mit ihrer Wissensbasis umgehen und sie weiterentwickeln? Sie hat schließlich kein "Gehirn"!

Stufen organisationalen Lernens

Kulturen organisationalen Lernens

siehe: Organisationskultur

ist optimal für systemisches Lernen. Nach Willke (1998, S. 256) sind dabei folgende Ebenen zu unterscheiden, die aufeinander aufbauen:.

Zusammengefasst:

  1. Lernen in großen Systemen erfordert eine Kultur der Komplexität
  2. Lernen an der Oberfläche gelingt nur bei Ausrichtung auf die Tiefenstruktur der Organisation
  3. Individuelles und organisationales Lernen sowie das entsprechende Wissens-Management sind Voraussetzung für Konkurrenzfähigkeit und organisationalen Erfolg.

 
 
 
 
 
 
 


Verfahren einer systemischen Rationalisierung: Mit diesem Begriff bezeichnen
     BAETHGE/OBERBECK 1986 betriebliche Organisationsformen, über die bisher eher isolierte Ziele und
     Inhalte der Arbeitsaufgaben neuartig verknüpft werden, wodurch komplexe Arbeitsplätze entstehen,
     die ihrerseits neue Formen der Arbeitsbeherrschung erfordern.


Taylorismus:

F.W. Taylor begründete 1911 ein System wissenschaftlicher Betriebsführung. Es umfasste vier Dimensionen der Rationalisierung betrieblicher Arbeitsabläufe:

Das Anforderungsprofil des vorgesetzten Meisters war dementsprechend funktional. Arbeiter unterstanden so mehreren Funktionsmeistern (z.B. Instandhaltung, Prüfung), nicht einem Einzelmeister. Diese Organisationstheorie und -praxis überließ die Untersuchung und Gestaltung der 'human relations", der informellen Beziehungen,  anderen Disziplinen. (n. Lex. Soz.)
Arbeitsteilig produzierende Systeme sind immer auch wissensbasiert. Das Wissen von Personen und das in die Arbeitsweise der Organisation eingelassene Wissen müssen kombiniert werden. In der Industrie wurde Management immer mehr Wissens-Mangement. Der Taylorismus war ein neuer Ausdruck eines wissens-basierten wissenschaftlichen Management-Ansatzes (n. Willke, in Dehnbostel, Erbe, Novak 1998).
Tayloristische Arbeitsorganisation bedeutet: Strikte Trennung von Planung, Durchführung, Kontrolle und Verantwortung, eine starke Arbeitsteilung und -zerlegung, tiefe Hierarchien sowie bürokratische Informations- und Kommunikationsprozesse. Betrieblich-hierarchischer Aufbau in Linien bzw. Stab-Linien-Organisation (n. Münch 1995, S. 90)

Neo-tayloristisch

Neue Automobil-Montagewerke (Opel in Eisenach und Mercedes-Benz in Rastatt) setzen wieder auf kurzgetaktete Fließfertigung


Post-tayloristische Arbeitsformen:

Niederbrechen hierarchischer Strukturen: Zusammen mit Maßnahmen der systemischen Rationalisierung
sind solche eines Abbaus von Hierarchiestufen zu beobachten. Als ein Schlagwort wäre hier "lean production" zu nennen (vgl. z.B. WOMACK/JONES/ROOS 1991; DAUM/PIEPEL 1992; als Kritik vgl. WILLIAMS/HASLAM 1992; BLOECH/BOGASCHEWSKI/GÖTZE/ROLAND 1993). SENGE 1990, S. 401, unterscheidet beispielsweise zwischen "'localness' (no decision should ever be made higher up than is absolutely necessary)" and "leanness (continually increasing the capacity to produce more, higher quality results with less resources)". Damit entstehen ebenfalls neue, komplexer gestaltete Arbeitsplätze, denen zugleich mehr Entscheidungskompetenz zugewiesen wird. Voraussetzung für lernendes Unternehmen (n. Münch 1995)!


Meine Idee: Die Kommunikationsstrukturen der Organisation entsprechen den Links im Hypertext!


 

Wer käme als Privatperson auf den Gedanken, einige Jahrzehnte lang lärmende Großstadtkinder mit Zahlen und Buchstaben vertraut zu machen (Willke 1998, S. 251)


Unter Systemzeit verstehe ich den Zeitraum zwischen Beginn und Abschluss einer Maßnahme. Beispiele sind die Zeiten für einen Ausbildungsgang, eine Fortbildungsmaßnahme oder auch das Erbringen einer Dienstleistung.
Während z.B. die Systemzeit bei der Ausbildung überbetrieblich fixiert ist, korrespondieren in der Fortbildung die Zeiten eng mit den Systemzeiten der Dienstleistungen. Der Betrieb ist weitgehend souverän, er kann selbst entscheiden, wie lange eine Qualifikationsmaßnahme dauern soll, wo sie stattfindet, wer sie durchführt und welche Inhalte sie haben soll.


Damit wird das Lernen reflexiv, es wird die Ebene des generativen, d.h. das organismischen, integrierten Lernens erreicht.
 
 
 
 
 
 
 
 
 


Quellen:
Geißler/Orthey in BWG 3/1997, S. 16 - 21
Achtenhagen (Internet)
Willke, in Dehnbostel, Erbe, Novak: Berufliche Bildung im lernenden Unternehmen, Berlin 1998, S. 243-259

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