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1. Neue Technologien oder neue Kulturtechnik
2. Sieben Merkmale des Mediums Computer aus der Sicht der Bildung
3. Neue Technologien - Neue Bildung
Wenn Neue Technologien zugleich neue Kulturtechniken darstellen, dann sind davon Erziehung und Bildung zentral betroffen. Man versteht unter Neuen Technologien all jene Technologien, die sich zentral der Logik und Technik der Digitalisierung bedienen, das heißt konkret: computergestützt realisiert werden. Dass das Medium des Computers bzw. die Technologie der Digitalisierung alle Bereiche unseres Lebens durchdringt, kann nach nunmehr 50 Jahren der zunehmenden Implementierung als allgemeiner Konsens ausgemacht werden - und das, obwohl der Prozess noch nicht abgeschlossen ist.
Sind die zukünftigen Probleme mit der Digitalisierungstechnologie zu lösen? Gilt die vorausgesagte Lösung als wertvoll? Dann muss sich diese Technologie bewähren oder sie wird fallen. Deshalb ist das Opponieren im Widerstreit das entscheidende Moment. Auch wenn man in skeptischer Einstellung bezweifelt, ob ein solcher Widerstreit jemals zu lösen ist, dann bleibt dennoch der Widerstreit die einzige Möglichkeit, unser Leben durchzuhalten und situationsabhängige Entscheidungen auf der Basis vorläufiger Geltung zu fällen. In diesem Sinne wende ich mich nun der Frage nach der Wert-Bezogenheit bzw. nach dem Bildungswert der Computertechnologie zu.
Das Medium Computer zeichnet sich neben vielen anderen Details durch wesentliche Grundzüge aus. Diese sieben Grundzüge erlauben es, die Frage, ob mit der Computertechnologie eine neue Kulturtechnik vorliegt oder nicht, zu entscheiden.
Der Computer ist erstens ein universeller, abstrakter Problemlösungsautomat.
Es ist als eine Maschine erfunden worden, die dem Menschen helfen soll,
Probleme zu lösen. Das Ganze begann mit mathematischen bzw. rechnerischen
Problemen - vornehmlich im Bereich des Militärischen (TURING).
Ist der Computer eine Lösungsmaschine
ohne Problem, aber damit auch eine Lösungsmaschine für jedes
Problem. Der Grad der Abstraktheit des Computers ist durchaus vergleichbar
mit dem Buchdruckkonzept, das ja auch noch keinen Inhalt hat - gleichsam
ein Blindband mit möglichen Zeichenmengen ist.
Sofern es richtig ist, dass wir unsere gemeinsame Welt zu einer
Welt von Problemen gemacht haben, dann ist eine abstrakte Lösungsmaschine
die angemessene Reaktion auf eine solche 'Meta-Problemlage'. Da überall
in unserer gemeinsamen Welt sich Probleme als Nebenwirkungen unseres neuzeitlich
modernen Fortschrittes eingestellt haben, wird eine abstrakte Lösungsmaschine
auch überall gebraucht. Alle Menschen sind beispielsweise in die Mathematisierung
einbezogen , ob jeder es versteht oder nicht. Die Welt ist: beispielsweise
mathematisiert, ob ihn dies lebensweltlich tangiert oder nicht.
Wenn man den Bildungsprozess
definiert als die Herstellung eines individuellen Verhältnisses
zur Welt,
zur Gesellschaft
und zu sich selbst
und wenn man zugleich annimmt, dass dies nur in einem Darstellungs-
und Kommunikationsmedium möglich ist, dann liegt der Bildungswert
des Buches ebenso wie der Bildungswert des Computers darin, dass beide
auf ihre je spezifische Weise es erlauben, diese drei Verhältnisse in Bezug auf Problemlagen der gegenwärtigen Welt und Gesellschaft herauszubilden.
Wenn also unsere Welt nur noch als eine Welt der Probleme wahrnehmbar
ist, dann ist die Computertechnologie eine dominante Weise, ein Verhältnis
zur Welt und zu der Gesellschaft zu bilden. Unter diesem Gesichtspunkt
ist sie zumindest bildungsbezogen.
Der Computer ist zweitens eine Sprachentwicklungsmaschine. Als Problemlösungsautomat
für mathematisch-rechnerische Probleme ist er von Anfang an eine symbolische
Maschine gewesen, die
in der künstlichen, formalen Sprache der Mathematik operierte. Aber
diese Sprache ist schon programmierte Sprache, so dass ihr die Sprache
der Programmierung vorausgeht. Der Programmiersprache geht die Sprache
des Betriebssystems voraus, dieser wiederum die Maschinensprache und der
Maschinensprache geht die digitale Sprache mit ihrem 0-1-Alphabet voraus.
Diese Sprachenkette zeigt, dass der Computer eine Sprachentwicklungsmaschine
ist und dass in diesem Medium Sprachen entwickelt werden, die geeignet
sind, gewisse Probleme abzubilden und dann zu lösen.
Wir konstruieren angesichts verschiedener Probleme ebenso verschiedene
künstliche Sprachen, um in ihnen diese Probleme darstellen, identifizieren
und lösen zu können. Die Fachsprachen der Einzelwissenschaften
sind Beispiele dafür. Die Computertechnologie zeigt sich zum einen
als ein Spiegelbild unserer sprachlich-kommunikativen Praxis, zum anderen
als deren vermittelte Reflexion, denn sie macht uns diese Praxis in all
ihrer Vielfalt und Kompliziertheit deutlich, und zum dritten als Aufgabe
der Präzisierung unserer formalen und künstlichen Sprachen. Weil
jede Reflexion bildungsbezogen ist, denn sie bedenkt unser Verhältnis
zur gesellschaftlichen Welt und zu uns selbst, ist damit auch die Computertechnologie
bildungsbezogen. Ihr Bildungswert beruht darauf, dass hier insbesondere
unser Verhältnis zur Sprache infrage steht. Sofern die mehr
oder minder natürliche Sprache schon immer unser Verhältnis zu
Welt, Gesellschaft und uns selbst wiedergibt, ist damit dieses Verhältnis
in sich selbst reflektiert.
Ich muss das Verhältnis zur Konstruktion jenes vordergründigen
dreifachen Bildungsverhältnisses für mich klären. Überspitzt:
Mit der Computertechnologie wird Bildung selbst zu einem Bildungsproblem
wird - sie muss sprachlich konstruiert und legitimiert werden.
Der Computer ist drittens eine Simulationsmaschine, denn alle Probleme werden zuerst in dafür geschaffene, geeignete Sprachen abgebildet und dann in ihnen gelöst. Damit letzteres möglich ist, müssen die eigens dafür geschaffenen Sprachen natürlich auch die Hilfsmittel zur Lösung, d.h. den Lösungsraum als Sprachraum besitzen. Dass sie dies auch tun, macht sie zu operativen und nicht nur zu ästhetischen Sprachen, und dies macht es auch aus, dass in ihnen gehandelt werden kann wie in der originalen Welt. Nichts anderes ist Simulation - struktur- und handlungsgetreue Abbildung. Dass das Handeln in der Simulation wesentlich Sprachhandeln ist, macht den Computer zu einem Kulturraum des Probehandelns.
PIAGET hat unter anderem über den Begriff des Probehandelns, über diesen Modus der Möglichkeit, die höchste Stufe der Intelligenz, die formal operative Intelligenz, in der Entwicklung des Menschen gekennzeichnet. Dabei fallen hypothetisches Denken und sprachliches Probehandeln als zwei Seiten derselben Sache zusammen. Das Besondere der Computertechnologie besteht nun darin, dass jenes gedankliche Probehandeln in konkreter sinnlicher Form eingeübt werden kann, d. h. es wird in seinen einzelnen Schritten, Teilresultaten und dem Gesamtresultat am Bildschirm oder einem anderen Ausgabegerät des Computers sinnlich wahrnehmbar. Nach Piaget wird die formale operative Intelligenz durch konkrete Operationen, die in der darunter liegenden Intelligenzstufe verankert sind, gestützt und entlastet. Dieser Umstand führt dazu, dass mehr Komplexität verarbeitet werden kann. Dieses quantitative 'Mehr' schlägt in eine qualitatives 'Mehr' um, indem es einerseits ein höheres kognitives Potential schafft und andererseits ein differenzierteres und reflektierteres Verhältnis zur Welt erlaubt. Der Computer wird zu einem Lern- und Bildungsmedium, in dem Welterfahrung virtuell und auf Probe gemacht werden kann.
Probehandeln oder - wie man heute sagt - virtuelles Handeln ist grundsätzlich bildungsrelevant, weil es Zeit schafft und zwischen das Denken und Handeln diese geschaffene Zeit einschiebt. Damit wird das Verhältnis zwischen Planung und Tätigkeit erkennbar, und mit ihm das Verhältnis zu Welt, Gesellschaft und mir selbst. Dies wird spielerisch erfahrbar, und wirkt zurück auf unser Verhältnis zu uns selbst, in dem wir uns zunehmend mehr als Sprachspieler, denn als autonomes Subjekt verstehen werden.
Der Grundzug des Simulativen führt uns direkt zum nächsten Grundzug,
dem der Kommunikation.
Der Computer kann also viertens als eine Kommunikationsmaschine betrachtet
werden und dies auf doppelte Weise. Auf der einen Seite 'kommuniziert'
er mit dem Anwender und dies grundsätzlich im Rahmen von Simulationen.
Das wird vielen vielleicht erst heute mit dem Internet-Boom klar. Ein Internet-Forum
ist beispielsweise eine simulierte Konferenz oder - wie man heute gerne
sagt: eine virtuelle Konferenz. Wenn man, wie üblich, virtuell als
Gegensatz zu real versteht, dann ist wichtig, darauf hinzuweisen, dass
nicht die Kommunikation virtuell ist, sondern nur das Arrangement der Konferenz.
Seit den Anfängen des modernen Bildungsgedankens wird Bildung
als ein kommunikativer Prozess bzw. als ein Resultat von Kommunikation
verstanden. Dies hängt damit zusammen, dass man einerseits jenes
dreifache Verhältnis nur in sprachlichen Repräsentationen ausbilden
kann. Es hängt aber auch damit zusammen, dass es sich um ein
dreifaches Verhältnis handelt, in dem die drei einzelnen Verhältnisse
nicht unabhängig voneinander gebildet werden können. Gebildet
ist also insbesondere derjenige, der auch noch die drei Verhältnisse
zueinander ins Verhältnis setzt. Wie immer dieses übergeordnete
Verhältnis auch gestaltet ist, es kann nicht anders ausfallen als
so, dass sich die drei grundlegenden Momente, Welt, Gesellschaft und
Selbst, irgendwie wechselseitig durchdringen. Das Verhältnis zur Gesellschaft
korreliert mit dem Verhältnis zum Selbst und wird kommunikativ prozessualisiert
über das Verhältnis zur Welt.
Weil das Verhältnis zur Gesellschaft eine Rolle spielt, kommt der performante Prozess der Bildung nicht ohne Kommunikation aus. Insofern nun die Computertechnologie das Ausmaß, die Reichweite und die Schnelligkeit der Kommunikation erhöht, beeinflusst sie unser dreifaches Bildungsverhältnis und erweist sich so als bildungsbezogen. Ihr Charakter als Kulturtechnik liegt in der Lösungsmöglichkeit des Problems einer globalen Kommunikation, die sowohl aus politischen als auch aus ökologischen Gründen gefordert erscheint.
Der Computer ist fünftens eine Bildschirmgestaltungsmaschine, d.h.
er ist auf der Oberfläche im allgemeinen ein Bildschirmmedium.
Die Sinneinheit einer Information hat Bildschirm-Größe,
d.h. die Informationsmenge, die auf einen Bildschirm passt, ist äußerst
begrenzt. Da die Informationsmenge eines Bildes höher ist als beispielsweise
die eines Textes, eignet sich die Sinneinheit Bildschirm auch besser für
Bilder als für Texte. Immerhin transportieren die Bildschirmarbeiter
die Lustbetontheit des Mediums, wie man sie beim Fernsehen über Jahre
gelernt hat.
Unser Verhältnis zur gesellschaftlichen Welt wird über diesen
Umstand möglicherweise zu einem dreifach multimedialen Bildungsverhältnis.
Das heißt, dass die Sprache der Vermittlung, die Bildung prozessualisiert
und Bildung als Ergebnis generiert erweitert wird und aus dem rein Verbalsprachlichen
in die Sprache des Multimedialen übergeht. Jetzt werden die Verknüpfungen
auf der Basis des physikalischen Mediums Computer und der zugrundeliegenden,
wenn auch unsichtbaren Universalsprache des Digitalen zu einem Spiel,
zu einer Kulturtechnik, die es erlaubt, die
Welt, die Gesellschaft und das Selbst neu zu definieren und in dem dreifachen
Bildungsverhältnis neu zu positionieren.
Es kommt ein weiteres Kennzeichen des Bildschirms als Medium hinzu. Der
Computer als Bildschirmmedium ist sechstens ein Schlüsselloch. Schlüssellöcher
haben die Eigenart, mehr zu verbergen als zu offenbaren. Aber das wenige,
was sie offenbaren, zeigen sie genau, und das, was sie verbergen, verbergen
sie ganz. Während alle Bilder in unserem natürlichen Sehfeld
eine Umgebung haben, deren bildhafter Inhalt zu den Rändern unseres
Sehfeldes zunehmend unscharf wird, aber erst jenseits der Seh-Grenze verschwindet,
hat der Bildschirm keinen abschattierten Horizont. Die Form der Unterstützung,
die sich durchgesetzt hat, besteht darin, die nicht sichtbare Umgebung
des Bildschirms als Icon (Sinnbild) in den Bildschirm selbst hineinzunehmen.
Das klingt paradox, aber es geht und schafft neuartige kognitive Verhältnisse.
Das Fernsehen bzw. das Medium Video tut sich bei der Unterstützung
des Betrachters hinsichtlich der Bildschirm-Umgebungen leichter als ein
Computer-Bildschirm. Denn in der Bewegtheit des Bildes kann man die bleibenden
Bildteile im Verhältnis zu den sich ändernden wohl dosieren und
den Aufbau des inneren Bildes für den Hintergrund, sowie den Wechsel
des Hintergrundes in der Zeit, kontinuierlich unterstützen. Bei Software-Oberflächen
wird die Umgebung durch Sinnbilder (Icons)
in den Bildschirm hineingenommen. Diese Sinnbilder sind hochverdichtete
Zeichen, die meist stellvertretend für eine viel größere
Zeichenmenge und für einen viel komplexeren Zeichenzusammenhang stehen.
Man nennt sie deshalb seit NORBERT WIENER Superzeichen.
Führt man diesen Gedanken weiter und überträgt man ihn
analog vom Medium 'Fernsehen' auf das Medium Computerbildschirm, dann kommt
es dort nicht mehr nur (allein) auf den Inhalt des Wissens an, das in diesem
Medium dominant transportiert wird, sondern auf dessen Performanz.
Dieser Umstand ästhetisiert unser Verhältnis zur Welt, das in
diesem Wissen erstellt wird. Ob dabei unser Verhältnis zur Welt eher
durch das Moment des Entertainment bestimmt wird oder sich dadurch verändert,
dass die Vielfalt der Darstellungsformen und -performanzen zu einer
Segmentierung führen, kann derzeit noch nicht ausgemacht werden. Die
Selbstdarstellung als Performanz eines möglichen und damit kontingenten
Entwurfes rückt in den Mittelpunkt des Bildungsgedankens. Der Begriff
der Bildung wird damit strukturgleich zum Begriff des Kunstwerkes.
Ihm lastet wie diesem das Kriterium des zwar kontingenten, aber dennoch
in sich abgeschlossenen Ansatzes und Versuches an, in konkreter individueller
Gestaltung dennoch das Ganze des Problems anzuzeigen und gerade deshalb
geltungsbezogen zu sein.
Aus dem Schlüssellochcharakter des Mediums ergibt sich siebtens, dass der Computer eine Superzeichenmaschine ist. Für Computer-Oberflächen bedeutet dies, dass sie, um sich selbst eine Umgebung zu schaffen, zwei Sorten von Zeichen enthalten: zum einen solche, die ihre Bedeutung unmittelbar tragen und zum anderen solche, die ihre Bedeutung verbergen, nur andeuten und somit versteckt enthalten. Letztere sind auch die sogenannten interaktiven Zeichen. Man entwickelt eine Kultur des Deepenings (engl.: der Vertiefung), wie dies in der Spiralmethode des Lernens schon lange entwickelt ist. Der Umgang mit der Sprache wird differenzierter. Wenn Bildung an die Vermittlungsfunktion von Sprache gebunden ist, dann wird damit auch unser dreifaches Bildungsverhältnis betroffen. Das heißt, dass in diesem Verhältnis die Technologie des Verdeckens und des Entdeckens einen bewussteren, sensibleren Stellenwert erhält. Das bringt mit Sicherheit auch eine erhöhte Kultur der Selektivität mit sich und damit wird auch das Bewusstsein der Perspektivität auf Welt und Gesellschaft geschärft.
Ästhetische Prinzipien als Prinzipien der Wahrnehmung gehen - insbesondere bei der Zielbestimmung der besten möglichen Darstellung unserer gemeinsamen Welt - auf die Sensibilisierung der feinen Unterschiede. Denn die Kultur der aisthesis (Wahrnehmung) ist die der Verfeinerung, und alle Verfeinerung geht auf immer feinere Unterschiede. Wenn dieser Umstand unser Verhältnis zur Welt prägt und in einer Gesellschaft neuer Informationstechnologien prägen wird, dann wird es im Bildungsgedanken nicht mehr in erster Linie um Einheit gehen sondern um die feine Differenz, d. h. um den kleinen Unterschied. In diesem Motiv könnte sich jener alte und traditionelle Ansatz einer radikal kritischen Instanz im Bildungsbegriff erneuern, der von jeher gegen alle technokratische und systemische Vereinnahmung des Menschen stand, denn im feinen Unterschied verwahrt sich der Gebildete gegen die Unterordnung unter das Allgemeine.
Ich habe an anderer Stelle vorgeschlagen, er möge
dies so tun, dass er sich als Sprachspieler definiert.
Denn als Sprachspieler knüpft er das Band zu Welt und Gesellschaft
über das Motiv einer ihm immer und allemal vorausgehenden Sprache,
die ihren Ursprung in der Gemeinschaft hat. Als Spieler bewahrt er sich
jenen nicht zu vergesellschaftenden Rest, von dem schon SIMMEL in seiner transzendentalen Deduktion der Gesellschaft spricht.
Der gleichzeitige Umgang mit zwei Arten von Zeichen
macht die Sprache in sich selbst reflexiv. Sprache bekommt eine doppelte
Referenz: in der prima intentio und in der sekunda intentio auf einen Text,
der seinerseits auf Welt verweist, d. h. in aller Kürze: Sprache verweist
auf Sprache in ihrer Darstellungsfunktion von Welt.
Das Reflexiv-Werden der Sprache ist der eigentlich
neue Bildungsgedanke der Informationstechnologie und damit auch der Informationsgesellschaft.
Zusammengefasst: Die Problemlösung (1) schärft den Blick für die sprachlichen Mittel als Mittel; in der Konstruktion künstlicher Sprachen (2) vermittels vorhandener Sprachen fungiert Reflexion als stummer, nicht explizit werdender Operant der Gestaltung; in der Simulation (3) wird eben dieser Operant ästhetisch; die Kommunikation in den neuen Technologien (4) bedient sich der Simulation zur Schaffung virtueller Räume der Verständigung und reflektiert damit implizit Sprache im Hinblick auf ihren Kontext; in der Bildschirmgestaltung (5) wird dieser Kontext explizit gestaltet und damit die Reflexion auf Sprache konstruktiv, was über den Schlüssellochcharakter des Mediums (6) aufgeheizt wird; und schließlich ist es der Grundzug der Superzeichentechnologie (7), der die Reflexivität von Sprache zum Konstruktionsprinzip der besten möglichen Darstellung von Welt macht. Die sieben in Ansatz gebrachten Grundzüge neuer digitaler Technologie tragen demnach das gemeinsame Kainsmal einer Sprache, die ihre Unschuld verloren hat. Diese schuldig gewordene Sprache ist das Medium postmoderner Bildung, sie ist das Medium, in dem sich jenes dreifache Verhältnis, das ich Bildung genannt habe, in der Computertechnologie reflektiert und in dieser Reflexion eine neue Kulturtechnik bildet.
Bildung als Prozess muss vor diesem Hintergrund als gesellschaftliches Problem formuliert werden - nicht als normativ aufgeladene erzieherische Aufgabe. Auf der Grundlage der dargestellten sieben Grundzüge der Neuen Technologien kann der Gebildete in der Informationsgesellschaft nur ein Sprachspieler sein: Jenes komplexe Verhältnis, das ich Bildung genannt habe, lässt sich nur noch in einer in sich selbst gebrochenen, in sich selbst gedoppelten und reflexiv gewordenen Sprache ausbilden. Dies gilt natürlich nur, sofern man die Neuen Technologien als die entscheidende Kulturtechnik unserer Gesellschaft annimmt, was ich in Abschnitt 2 versucht habe, argumentativ zu begründen. Sprachspieler muss der Gebildete deshalb genannt werden, weil jener Bruch in der Sprache, der durch die Reflexion des Sprachlichen auf sich selbst hervorgebracht wird, durch kein geregeltes Verfahren einheitlich gekittet werden kann. Er eröffnet vielmehr einen unbestimmten Raum für spielerische Lösungen.
Dogmatisch gesprochen: Der Sprachspieler als Bildungsideal der Informationsgesellschaft weiß, dass Macht und Gewalt in der Informationsgesellschaft auf der Herrschaft über die Sprache beruhen. Gewalt äußert sich in der vermittelten Zuweisung der Bedeutung zu Zeichen oder in der Eliminierung von Bedeutung aus ihrem Zusammenhang mit Zeichen. Der Sprachspieler durchschaut kritisch diese Gewaltmechanismen und setzt die Wucht der Sprache und den semantischen Schnitt an die Stelle von Hammer und Sichel auf seine Fahne.
Autor: Meder, N. (Vorlesungsskript Uni Bielefeld 1999/Kurzfassung Am.) www.multimedia-pflege.de