Organisationsentwicklung / Anwendung Krankenpflegeschule

Prinzipien der Organisationsentwicklung (OE)

Die dargestellten Rahmenbedingungen bilden die Grundlage für die Prinzipien systemischer Veränderungsprozesse, unter Einbeziehung des lebensweltlichen Aspekts. Diese Prinzipien kommen in folgenden Elementen zum Ausdruck:

In der aktiven Mitbeteiligung der betroffenen Menschen, der Ausrichtung der Einmaligkeit von Menschen und Organisationen, der angemessenen Komplexität, den konkreten Anlässen und zukunftsrelevanten Herausforderungen, Lernen statt "Revolution", Veränderung und Fließgleichgewicht statt Erstarrung, dem Weg, der so wichtig wie das Ziel ist, OE als kontinuierlicher Prozess und als Grundhaltung, dem Ort der OE im Arbeitsalltag und der Ressourcen- und Lösungsorientierung (nach Baumgartner u.a. 1996, S. 20-25).

Das vorrangig zu beachtende Prinzip besteht darin, dass auf vielfältige und angemessene Formen der Beteiligung geachtet werden muss. Damit sich die Betroffenen engagieren, müssen sie sich mit den eigenen Aufgaben und den betrieblichen Zielsetzungen identifizieren. Dabei spielen die Signale, die von den Führungskräften ausgehen, eine besondere Rolle. Diese werden zu Schlüsselfaktoren für Erfolg oder die Begrenzungen des Prozesses. OE orientiert sich an humanistisch-emanzipatorischen Werten, erst die Menschen machen Organisationen lebendig. Damit ist jedoch nicht gemeint, dass man jede Frage einseitig personalisieren könne, sondern schon, dass systemische, technische und strukturelle Faktoren einzubeziehen sind. Organisationen sind komplex und erfordern daher auch in der Gestaltung der einzelnen Prozessschritte die angemessene Komplexität, keine unzulässigen Vereinfachungen. Anlass für eine OE ist eine abgrenzbare Veränderung mit weitreichender Auswirkung wie im vorliegenden Fall, in die typischerweise ein bevorstehender Generationswechsel oder die Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Unternehmensbereichen hineinspielt. In einer OE ist darauf zu achten, dass die einzelnen Veränderungsschritte stimmig sind und in einem für die Betroffenen nachvollziehbaren Tempo gegangen werden. Die bei einer abrupten Veränderung anfangs gesparte Zeit muss aufgrund von starken, unerwünschten Nachwirkungen hinterher doch wieder investiert werden, wie die Erfahrungen zeigen. Organisationen in sich verändernden Umwelten müssen lernen, flexibel auf diese Veränderungen zu reagieren. Fehlen ihnen diese Fähigkeiten zur Neuanpassung, werden sie wie Fossilien und ‚sterben‘ (n. Baumgartner u.a. 1998, S. 23). Sind es in der Vergangenheit erfolgreiche Organisationen, versuchen diese oft mit den Rezepten von gestern auf aktuelle und künftige Anforderungen zu reagieren. OE betrachtet die "Ambivalenz von Stabilität und Veränderung (als) eine bleibende Herausforderung" (Baumgartner 1998, S. 23). Schon in der Arbeit der organisationsinternen Entwicklungsgruppe sollen die Prinzipien der OE zum Ausdruck kommen, nicht erst über die Erreichung der Zielsetzung. Mittel und Methoden sollen für sich selbst vertretbar sein und in einem kontinuierlichen Prozess zum Ausdruck kommen. OE kann nicht punktuell stattfinden, diese muss integraler Bestandteil der täglichen Zusammenarbeit werden. Schließlich geschehen die wesentlichen Veränderungen im betrieblichen Alltag. Allerdings wird in der Begleitung des Entwicklungsprozesses darauf geachtet, die Maßnahmen vorrangig an den Zielen, angestrebten Lösungen und vorhandenen Ressourcen zu orientieren, d.h. Probleme und Schwierigkeiten als Herausforderungen zu betrachten. Statt vergangenheitsorientierter Betrachtungen werden derzeitige und zukünftige Chancen herausgearbeitet. Der OE-Berater gibt die Lösungen für Probleme nicht vor, sondern regt durch seine eigenen Vorstellungen an, dass die Betroffenen selbst Probleme lösen (vgl. Baumgartner u.a. 1998, S. 25/27).

Ziele von Organisationsentwicklung Im Allgemeinen

Als allgemeine Ziele der OE werden entsprechend der obengenannten Prinzipien die verbesserte Fähigkeit zu Selbsterneuerung, Selbstgestaltung und Selbstorganisation sowie Authentizität, Effektivität und Humanisierung angestrebt. Die Mitglieder einer Organisation sollen befähigt werden, die gegenwärtige und zukünftige Organisationsrealität selbst zu gestalten. Dazu sind Prozesse der Selbstorganisation zu fördern, Querverbindungen abseits der offiziellen Instanzenwege ersetzen die oft nicht funktionierenden offiziellen Kommunikations- und Informationsstrukturen. Strukturen bilden sich in Organisationen fortlaufend selbst; Gruppen werden aktiv, um Neuerungen einzuführen, allein schon aufgrund des Bedürfnisses des Menschen nach eigener Sicherheit. OE schafft Rahmenbedingungen, die diesem Phänomen der Selbstorganisation dienlich sind. Seitens der Betroffenen erfordert dies Motivation, Kompetenz und Fähigkeiten. Dabei sollen die Menschen authentisch sein und ihre eigenen Antworten finden. Es darf nicht verleugnet werden, dass aufgrund unterschiedlicher Interessen Zielkonflikte auftreten können - erst mit dem Verständnis vorhandener Unterschiede kann eine echte Integration erfolgen, oder die klare Entscheidung zugunsten einer Seite. Die Leistungsfähigkeit einer Organisation soll gesteigert werden, indem sie sich mit Hilfe der OE anpassungsfähiger an gegenwärtige und zukünftige Umwelteinflüsse macht. Gelingt dieser Prozess und dessen Reflexion, steht dieses Wissen auch in zukünftigen Situationen zur Verfügung. Der OE-Berater nimmt sich im Laufe des Prozesses immer mehr zurück, er soll mit den wachsenden Fähigkeiten und Erfahrungen der Beteiligten zunehmend entbehrlicher werden (n. Baumgartner u.a. 1996, S. 28-32).

Im Fall der Organisationsentwicklung der Krankenpflegeschule

Im Falle einer Selbstberatung als Betroffener wie in meinem Falle gilt das oben beschriebene entsprechend. Ist ein bestimmter Prozess einmal in Gang gekommen und trägt sich selbst, kann man sich daraus zurückziehen. Dies habe ich im Zusammenhang mit der Erstellung und Weiterentwicklung von Lernzielbögen für die praktische Krankenpflegeausbildung in der KPS ‚Mitte‘ und bei der Einführung von Praxisanleitung selbst erlebt. Die Ziele für die jetzige OE der Krankenpflegeschule liegen im Angebot vielfältiger Lern- und Reflexionsmöglichkeiten, wie z.B. Entwicklungsgruppen und in der Entwicklung angemessener Führungsfunktionen und Steuerungsstrukturen. In einer schöpferischen Organisation wie einer Krankenpflegeschule muss sich Führung auf klare Rahmenbedingungen, diskutierte, vereinbarte und kontrollierte Grundsätze und Normen, gemeinsam erarbeitete Strategien und Ziele stützen, die von den Betroffenen akzeptiert und gelebt werden. Dazu sind lebendige, flexible Koordinationsstrukturen notwendig. Steuerung und Strukturen haben den Zweck, professionelle Freiräume zu garantieren, die MitarbeiterInnen und deren Reflexionsfähigkeit zu fördern und zu fordern (n. Baumgartner u.a. 1995, S. 64/65).

Mögliche Veränderungsstrategien In der OE soll die Veränderung bereits auf dem Weg der Entwicklung stattfinden, davon sind Veränderungsstrategien abzugrenzen, die durch FachexpertInnen oder durch Machtausübung umgesetzt werden. Um Vergleichsmaßstäbe zu bilden, möchte ich auch zwei mögliche andere Strategien charakterisieren:

Wird die Veränderung durch Fachexperten ausgearbeitet, braucht der ‚Klient‘ die Lösung nicht selbst zu erarbeiten. Er bekommt aufgrund einer extern durchgeführten, sorgfältigen Problemanalyse die richtige Lösung, für deren Umsetzung er Einsicht benötigt. Schlüssige Konzeptionen in großem Umfang können auf diese Weise geplant werden. Allerdings fällt es den Betroffenen oft schwer, neue Konzepte zu integrieren, die eine neue Denkweise erforderlich machen. Oft werden diese daher nicht umgesetzt und "landen in der Schublade", denn Organisationen verhalten sich nicht nach vorhersehbaren Regeln. Es werden keine eigenen Fähigkeiten für die Bewältigung künftiger Herausforderungen entwickelt, und oft bleiben die Empfehlungen der Fachexperten zu unspezifisch (n. Baumgartner u.a. 1998, S. 76-78).

Die Machtstrategie hingegen gibt Menschen in einer sozialen Beziehung die Möglichkeit, ihre eigenen Vorstellungen auch gegen das Widerstreben anderer durchzusetzen. Die Machtausübenden definieren die Realität für die anderen. Die Machtausübung kann durch hierarchische Position und auch Entscheidungskompetenz begründet sein, externe Sachverständige können die Machtausübenden dabei unterstützen. Abhängigkeit statt Selbständigkeit wird erzeugt. Es wird nicht für nötig erachtet, dass die Betroffenen ihre Einstellungen ändern, wenn mit Druck das gewünschte Ziel erreicht wird. Zwar lassen sich Veänderungen kurzfristig erreichen, aber die Anwendung der Machtstrategie bewirkt in vielen Fällen die Mobilisierung einer Gegenmacht, die dadurch notwendigen Abänderungen beinträchtigen dann die Wirksamkeit der eingeführten Neuerungen (n. Baumgartner u.a. 1998, S. 78/79).

Im Unterschied dazu stehen die obengenannten Prinzipien der Veränderung im Rahmen von OE-Prozessen. Wichtig ist es, dass die Verantwortung für die Veränderung die gesamte Zeit über in der Organisation verbleibt und die Betroffenen selbst eine konstruktive Absicht haben. Das schließt nicht aus, gegebenenfalls auch externe Fachexperten zu Rate zu ziehen, um ein besonderes Problem zu klären oder Betriebsblindheit zu vermeiden. Wichtig ist, dass in Workshops Veränderungsbedarfe nicht personifiziert werden oder nur gruppendynamisch gearbeitet wird, ohne Strukturen, Strategien und Organisationsziele zu reflektieren; und dass relevante Informationen nicht auf den Kreis der Betriebsleitung beschränkt bleiben (n. Baumgartner 1998, S. 27; S. 80).

Aspekte der Schulreform zum Vergleich

Der schon erwähnten Denkschrift der Bildungskommission NRW sind wertvolle Anregungen zu diesem Thema zu entnehmen. Auf einen offensichtlichen Entwicklungsbedarf wird mit einem offenen Angebot plausibler Vorschläge und gangbarer Lösungswege reagiert. Ausgangspunkt ist die Auffassung, dass Schule und Schulverwaltung keine unbeweglichen Systeme sind. Die Arbeitsbelastung der MitarbeiterInnen wird gewürdigt und man vertraut auf die von ihnen ausgehenden Innovationsimpulse. Allerdings würden isolierte Schulorganisations-Reformen ebensowenig bewirken wie einzelne Gestaltungsänderungen in Unterricht und Erziehung. Die angestrebten Wirkungen können sich nur einstellen, "wenn die Änderungen des Steuerungs- und Verantwortungssystems, die schulorganisatorischen Gestaltungsmöglichkeiten, die Zielsetzungen für die innere Gestaltung der Schulen und das Bewirtschaftungssystem insgesamt auf den Weg der Verwirklichung gebracht werden" (Bildungskommission 1995, S. 338). Auf mögliche gesetzliche Änderungen sollte man vorbereitet sein, diese aber nicht zur Voraussetzung für eigenes Handeln machen. Wenngleich die Voraussetzungen der zitierten These nicht gegeben sind (siehe Reformbemühungen zur Pflegeausbildung, Abschnitt 3.6) schließt die Bildungskommission nicht aus, dass auch von den Schulen her die Entwicklung stufenweise her eingeleitet und vorangetrieben wird. Angelehnt an deren Empfehlungen, sollten folgende Maßnahmen den Entwicklungsprozess bestimmen:

Ohne eine vertrauensvolle und offene Haltung in Schulen, bei SchülerInnen und LehrerInnen, im Kreis der politisch und betrieblich Verantwortlichen ist wenig zu bewirken. Durch eine offene Analyse der jetzigen Situation, das Aufweisen der Entwicklungsnotwendigkeiten und durch eine sorgsame Absicherung der Entwicklungsschritte ist die Sorge vor unüberschaubaren Entwicklungen zu nehmen (n. Bildungskommission 1995, S. 342/343).

Um nach diesen grundsätzlichen Erörterungen nun wieder auf die soziale Realität im Zusammenhang meines Themas zurückzukommen, fasse ich im folgenden Abschnitt die Schritte zur Verwirklichung der Neukonzeption zusammen, wie ich sie im vorigen Kapitel veranschaulicht habe. Dies geschieht wiederum auf der Grundlage der Leitfaden-Interviews und deren Auswertung.

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